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Blackmore´s
Night
Das musikalische Nachleben einer Legende
Gerne denke ich an die Zeit der gemeinsamen Familienurlaube zurück,
während auf endlosen Autobahnfahrten Richtung Süden mein Vater
mit den Worten: „Solche Musik haben wir zu unserer Jugendzeit gehört“
die Kassette mit der Aufschrift DEEP PURPLE in das Radio schmiss. So ist
Ritchie Blackmore, seines Zeichens Ex – Gitarrist eben jener Band, für
die älteren unter uns sicherlich Symbol (längst) vergangener Jugendzeit,
zu der wohl keine bessere Beschreibung passen würde, als die vom Klischee
getragenen Worte „Sex, Drugs & Rock´n Roll“! Für die jüngeren
unter uns avancierte er hingegen zu einer Legende des Bespielens des elektrischen
Sechssaiters.
Nach der Auflösung DEEP PURPELs endete allerdings keines Falls das
musikalische Leben Blackmores, sondern fand seine Erfüllung im gemeinsamen
Projekt mit seiner Lebensgefährtin Candice, das den stolzen Namen Blackmores
Night trägt. Jene unpopulistische Musik widmet sich der Renaissance
und verbindet diese mit Klängen der modernen Rockwelt des 21ten Jahrhunderts.
„Beyond the Sunset“ heißt die jüngste Veröffentlichung
und stellt eine Zusammenstellung aller Lovesongs von BLACKMORE`S NIGHT
dar. Alle anstehenden Fragen beantworteten Ritchie und Candice per Telefoninterview
aus ihrer Residenz in Long Island.
In der letzten Zeit seid ihr viel unterwegs gewesen und habt immer noch
weltweit eine ganze Menge Dates offen. Ist es auch eine Leidenschaft von
Euch zu reisen, oder warum habt ihr so viele unterschiedliche Auftritte in
so vielen verschiedenen Orten der Welt?
Ritchie: Unglücklicherweise ist
das Reisen ein Teil vom Musikerdasein. Ich liebe die Orte und die Leute,
wo wir spielen, aber das Reisen dabei ist eher ein notwendiges Übel .Die
Zeit in der wir reisen, manchmal bis zu 3000 Meilen per Flugzeug, ist wirklich
sehr langweilig. Es ist genauso wie mit dem Schlafen in den Hotels, wo du
niemals weißt, in welchem du landest und wie gut du schlafen kannst,
weil es eben nur manchmal ruhig oder eben sehr laut ist. Das sind so kleine
Dinge, die schon sehr ermüdend werden, aber sie sind es wert, wenn wir
für die Leute spielen können. Wir haben unsere Fans und freuen
uns sie zu sehen.
Im Juli habt ihr eine Tour durch deutsche Schlösser und Burgen gemacht.
Welchen Eindruck habt ihr von Deutschland und seinem Publikum bekommen?
Ritchie: Oh, die Deutschen sind unser
liebstes Publikum! Bevor wir dieses Projekt zusammengestellt haben, waren
Candice und ich im Urlaub auf den deutschen Burgen. Wir dachten, dass es
eine großartige Idee wäre anstatt große Rockhallen diese
Burgen zu bespielen. Ein weiterer Grund für diese Tour war, dass ich
Renaissance – Musik seit 40 Jahren liebe. Früher für DEEP PURPLE
oder RAINBOW wären diese Schlösser aber einfach zu klein gewesen.
Nun spielen wir für ein verhältnismäßig kleines Publikum,
sodass wir es uns leisten können in diesen Locations zu spielen. Wir
treten in den Burghöfen auf, wo dann immer so ungefähr 2000 Leute
kommen. Vor mehr als 2000 Zuschauern wollen wir auch gar nicht mehr spielen,
weil man dann zu viele betrunkene Leute dabei hat, die dann nicht wirklich
die ruhigere Musik hören können. Wir versuchen es also zu vermeiden
vor zu vielen Leuten zu spielen.
Euer neues Album „Beyond the Sunset“ beinhaltet eine DVD des Konzertes
in Schloss Burg in Solingen. Warum habt ihr diese Location ausgewählt,
um die DVD aufzunehmen?
Ritchie: Es ist eines unserer favorisierten
Schlösser, es sieht einfach fantastisch aus. Nichtsdestotrotz hat die
Filmcrew auf dieses bestanden, also hing es von denen ab. Aber es regnete
an diesem Tag, sodass wir einen Stromausfall hatten und die Show stoppen
mussten, aber wir haben das mit Aufnahmen von Neuhaus kompensiert.
Candice: Das ist richtig! Auf „Beyond the Sunset“ werden 5 Titel
aus der Solingshow enthalten sein, aber auf der DVD, welche im November rauskommen
wird, werden auch andere Schlosskonzerte enthalten sein. So wie Neuhaus
zum Beispiel. Das sind eine ganze Reihe von Schlössern, die wir dann
zu einer DVD zusammensetzen.
Die CD ist eine Zusammenstellung aller Liebeslieder, die ihr mit BLACKMORE`S
NIGHT gemacht habt. Worin lag denn die Motivation, so eine CD rauszubringen?
Ritchie: Viele Leute, besonders in
Amerika sagten uns, dass sie zu unserer Musik geheiratet hätten, weil
sie so romantisch seien. Also dachten wir es wäre eine gute Idee so
eine Cd, für Leute die heiraten oder einfach romantische Musik hören
wollen, zusammenzustellen.
Candice: Es haben
uns auch viele Leute gesagt, dass sie im Stile der Renaissance heiraten möchten.
Nur im Wald, in der freien Natur, was eine wirklich schöne Art zu heiraten
ist, anstatt der typischen traditionellen Heirat in der Kirche mit 500 Gästen
und großem Catering. Ich glaube, die Leute besinnen sich darauf, was
eine Heirat überhaupt ursprünglich bedeutet, nämlich die
Liebe und die Einfachheit und darauf, was Romantik wirklich bedeuten kann.
Also verlagern sie das ganze in den Wald, wo dann oft unsere Musik gespielt
wird um sich zu liieren. Wir dachten es wäre einfach eine schöne
Sache, wenn wir da etwas zusammenstellen würden, sodass sie eine komplette
CD haben, die sie zu ihrer Hochzeit spielen können.
Ich denke auch, dass es zuviel negative Energie in der Gesellschaft gibt.
Es gibt eine Menge Musiker, die all diese Wut und diesen Frust ausdrücken.
Das sind ja ganz natürliche menschliche Emotionen durch die wir auch
schon gegangen sind, aber wir denken, dass es möglicherweise eine
schöne Sache ist, die andere Seite dieser Emotionen aufzuzeigen –
Liebe, Schönheit, und Unschuld in Worte zu verkleiden.
Und welche Rolle spielen oder spielten Liebeslieder in eurem Leben? Seid
ihr eher der romantische Typ?
Ritchie: Candice ist romantsch veranlagt.
Ich stecke die Gefühle eher in die Musik, als in die Romantik.
Candice: Aber ich
denke, dass wir es beide etwas sind, denn Ritchie hat schon oft gesagt, dass
Liebe wie der Anfang und das Ende von allem ist. Es ist der Weg dazu, mit
allem fertig zu werden und wenn dich alles niederschmettert, kann man immer
zurückgehen zu dieser einen ehrlichen puren Emotion. Ich denke du bist
auch ein bisschen romantisch, Ritchie! Aber ich weiß, dass du das
nicht magst, wenn ich solche Dinge sage. (lacht)
Ritchie:
Sehr nett von dir Candice. (lacht)
Candice: Aber ich
denke, wir sind beide begeistert von diesen kleinen Wundern , wie z.B. das
Beobachten des Vollmondes oder der Sterne. Das ist wieder dieses Zurückkommen
auf diese einfachen Dinge, die bewirken, dass man die Dinge wieder mit den
Augen eines Kindes sieht. Diese Welt kann dich heutzutage total verrückt
machen, wenn du sie lässt, da sind so viele Kriege usw., da sind auch
immer noch so viele beeindruckende Dinge, welche jeden Tag missachtet und
ignoriert zu werden scheinen.
Was ist demnach einfacher für euch? Einen emotionalen Love – Song
oder so einen „Kick- Ass -Rock–Song“ zu schreiben?
Ritchie: Das hängt davon ab,
in welcher Stimmung wir sind. Ich denke, es hält sich die Waage. Für
Candice sind es wahrscheinlich die Liebeslieder.
Candice:
Ja, auf jeden Fall!
Ritchie: Aber es hängt auch davon ab, in welcher Stimmung
wir sind. Ich neige dazu, für die Bühne zu schreiben und wenn wir
einen schnellen Song benötigen, dann schreibe ich härtere Stücke.
Insgesamt bleibt das Album durchweg positiv und sogar die traurigen Songs
sind durchaus mit Optimismus ausgeschmückt. Ist das so ein Konzept
von euch, dass ihr niemals zu negativ oder zu positiv werden wollt?
Candice: Ich denke, dass besonders in der Musikindustrie viel
negative Energie vorhanden ist. Jeder versucht sich gegenüber den anderen
hervorzuheben und da sind so viele Probleme zwischen den Plattenfirmen, den
Promotern usw. Diese geschäftliche Seite kann wirklich deprimierend
sein. Die schöne Sache dabei ist die Musik, die Möglichkeit, Fans
zu haben, mit ihnen in Kontakt zu kommen und ihre Emotionen und Gedanken kennen
zu lernen. Das ist der wirklich überwältigende Teil davon,
aber der ganze Rest, der geschäftliche Teil ist unglaublich deprimierend,
sodass man sich manchmal wünscht, nur das machen zu können, was
man gern möchte, weil wir jeden tag mir so vielen negativen Dingen umgehen
müssen! Ich meine, wir lieben es einfach, im Wald zu leben und mit
Freunden zusammen zu sein, am besten wäre es, wenn wir das sieben Tage
die Woche machen könnten, aber das geht leider nicht. Obwohl wir das
so oft wie möglich versuchen zu machen, vielleicht einmal die Woche
– oder so oft es halt möglich ist – müssen wir uns trotzdem immer
wieder mit Anwälten und Veröffentlichungen oder so
etwas auseinander setzen. Aus diesen ganzen geschäftlichen Dingen ,
aus dem ganzen Druck und Stress, versuchen wir zu entfliehen und dafür
ist das Schreiben für uns eine Fluchtmöglichkeit.
So können wir die positiven Dinge herausnehmen. Wir versuchen das
zu werden, was wir von der Welt erwarten.
Welche Erwartungen und Ziele habt ihr mit BLACKMORE`S NIGHT für
die Zukunft? Ritchie hat ja als Musiker nun schon alles Erdenkliche erreicht
– zielt ihr auf einen ähnlichen Erfolg hin oder ist das überhaupt
nicht mehr wichtig für euch? Ihr habt ja schon gesagt, dass ihr lieber
in kleineren Locations spielt!
Ritchie: Das ist richtig. Es ist immer
schön, wenn man sieht, dass die Leute unsere Musik mögen, aber
ich denke, wir finden unsere Erfüllung so lange wir eine kleine Menge
haben, der wir unsere Musik vorspielen können. Als wir dieses Projekt
zusammengestellt haben, haben wir das nicht getan, weil wir furchtbar bekannt
werden wollten. Es geht darum die Musik zu spielen, die wir wollen. Viele
Manager und Promoter haben mich gefragt, warum ich kein Rock´n Roll
machen würde, weil ich da das Publikum hätte und Geld verdienen
könnte. Nun, ich habe genug Geld gemacht, jetzt will ich Musik machen,
die eine Herausforderung für mich ist. Musik, die mich begeistert und
inspiriert. Wenn ich durch die Welt ziehen wollte und dieselben alten Rock
– Songs machen wollte, hätte ich das mit Depp Purple machen können.
Was ich ja auch für Jahre gemacht habe, aber das wird langweilig. Ich
möchte diese Herausforderung haben, etwas zu tun, was nicht notwendigerweise
zum Ruhm führt. Das ist ein weiterer Grund, warum wir diese Musik machen.
Es wäre schön, wenn wir einen großen Namen hätten, aber
mit einem großen Namen hat man auch wieder den Druck und Probleme. Manchmal
macht die Plattenfirma Druck, da gibt es dann Leute, die dir sagen , dass
man mehr Shows spielen und mehr Interviews geben muss und dir diktieren, wo
du zu sein hast. Natürlich bin ich jemand, der dann sagt, was er machen
will und was nicht. Ich habe lieber einen tag frei und spiele Gitarre, als
dass ich in irgendeinem Hotel sitze und sechs Interviews am Tag mache, nur
um in der Zeitung zu sein.
Die meisten Bands, die sich einen Namen machen wollen, müssen
viele Interviews machen, um von jedem gesehen zu werden. Ich mache das
nicht. Candice könnte das vielleicht machen, aber mich langweilt das.
Wir machen nicht zu viele Interviews und gehen auch nicht oft ins Fernsehen.
Ich habe in einer gewissen Art und Weise Glück, dass ich schon mal
berühmt gewesen bin und berühmt zu sein, ist nichts wirklich Besonderes
für mich. In der Tat könnte jeder berühmt sein, wenn er von
genug Leuten gesehen wird, dass bedeutet nicht, dass er besonders gut ist.
Ja in Deutschland zum Beispiel haben wir diese Casting Shows im Fernsehen,
in denen man Leute castet und sie zum Popstar macht…
Candice: Ja, wie dieser Daniel? Ich kann ihn nicht mehr
sehen! (lachte)
Ritchie:
Ja, ich bemitleide ihn. Er rutscht doch wieder ab, oder?
Ich weiß gar nicht genau, ich verfolge das nicht so…
Candice: Ja da sind 5 Minuten schon zu lange .(lacht) Es
tut mir leid…Wann immer wir in Deutschland das Radio angemacht haben, war
er auf fast jedem Sender.
Ritchie: Da gab es doch noch jemanden…Yvonne Catterfeld?
Ja, aber sie ist, glaube ich, nicht ganz so schlimm!
Ritchie: Ja, sie hat auch etwas Talent.
Candice: Ja, aber nicht dieser Danieltyp!
Ritchie: Aber es ist wie du sagst, jeder kann ein Star
sein, wenn er diesen Hype hat. Wenn man bereit ist, berühmt zu sein,
Kamerateams zu sich nach Hause zu lassen und sich filmen zu lassen…wenn man
auf Toilette ist oder so was.
Ja, das ist ja auch das Traurige. Ich promote in Dresden viele Undergrundbands
und merke, dass diese zum Teil besser sind als Bands, die richtig erfolgreich
sind.Die werden auf MTV gespielt und schon sind sie Stars!
Ritchie:
Das ist richtig!
Ich hab schon richtig gute Gitarrenspieler getroffen, aber die haben alle
keine großen Namen.
Candice: Ja, und
die besten Bands, die man irgendwo sieht, sind die, die nie auf MTV gespielt
werden. Es sind die, die nie richtig bekannt werden, obwohl es eigentlich
die sind, die es werden sollten, weil es großartige Bands sind.
Andere Bands ohne Talent werden dir die ganze Zeit regelrecht aufgedrückt!
Es ist wie ein Fluch. Das ist das Seltsame. Ich denke, es gibt eine Menge
Leute, die, was immer sie im Fernsehen sehen oder im Radio zum tausendsten
Mal hören, selbst anfangen zu singen und den Text kennen. Alles was
man sich tausende Male wiederholt, bleibt in deinem Gedächtnis. Es
ist eine Art Gehirnwäsche, weil die Leute sagen, ich kenne den Text
des Songs, also muss ich ihn auch mögen.
Okay, meine letzte Frage: In der Zeit, als ich noch zur Schule ging,
bekamen wir manchmal als Quellen Musik aus der jeweiligen Zeit, z.B. aus
den 40er Jahren in Deutschland, um das Wesen der Gesellschaft zu dieser
Zeit zu analysieren. Könntet ihr euch vorstellen, dass eure Musik
mal zu solchen Zwecken verwendet wird und was würde man dann über
die Leute sagen?
Ritchie: Ich weiß, dass man ein bisschen Deep Purple Musik
mit ins Weltall genommen hat. Aber ich habe die Tendenz dazu, eher über
die Vergangenheit nachzudenken, als über die Zukunft. Am liebsten denke
ich da an das Jahr um ´55. Ich bin nicht so begeistert über unsere
Zukunft. Ich sehe sich alles in Plastik verwandeln. Ich sehe, wie sich Dinge
wie die Architektur verändern. Oder all die Computer, dieses Computerzeitalterbegeister
begeistert mich auch nicht wirklich. Ich mag es lieber, etwas anfassen zu
können.
Okay, dann bedanke ich mich für das Interview und wünsche euch
noch viel Erfolg mit BLACKMORE`S NIGHT!
Interview von Frank Beier für die Zeitschrift
Gothic No.45
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