BLACKMORE'S NIGHT

"Geister tragen keine Waffen!"

Für die Proben zur anstehenden "Ghost Of A Rose"-Tour zogen sich Blackmore's Night in die beschauliche Burg Hornberg zurück. Hier war jener Götz zu Hause, der mit dem Zitat "Er aber, sag's ihm, er kann mich im Arsch lecken!" für einen der beliebtesten deutschen Sprüche verantwortlich zeichnet und später durch Goethe literarisch gewürdigt wurde.
 
Hornberg (alc) - In der idyllischen Neckar-Panorama-Atmosphäre hatten Richie Blackmore und Candice Night die Muße, ihre neuen Stücke einzustudieren. Sträflich wäre es gewesen, die Einladung, mal vorbeizuschauen, sausen zu lassen. Und so machte sich Laut-Redakteur Alexander Cordas auf den Weg, um die Gitarren-Legende und seine holde Maid zu treffen. Vom Hörensagen macht ja das Gerücht die Runde, Blackmore sei ein eher schwieriger Charakter. Nichts liegt dem Ex-Purple und Rainbow-Klampfer jedoch ferner, denn er und seine Freundin entpuppten sich als überaus charmante und witzige Gesprächspartner.
Ihr gebt ja oft Konzerte auf Burgen und Schlösser. Wählt ihr die Orte, an denen ihr spielt, selbst aus, oder wer macht das für euch?

Ritchie: 50:50. Wir kennen oft die Plätze, wo wir gerne spielen würden und geben die an unseren Promoter weiter. Er schaut, ob es möglich ist, dort Konzerte zu geben.

Herzlichen Glückwunsch zur neuen CD, die ist wieder sehr gelungen. Könnt ihr etwas zu den Songs sagen? Zum Beispiel "Cartouche". Wo habt ihr die Inspiration her? Vom Film mit Jean Paul Belmondo oder von dem kleinen Restaurant in Prag?

Candice: Ah, woher weißt du das?

Ritchie: Er kennt es!

Ich habe mich nur auf eurer Homepage umgesehen und bin über den Link zum Restaurant gestolpert. Ich war zwar ein paar mal in Prag, aber ich kenne es nicht.

Candice: Es ist auch sehr versteckt. Es befindet sich in einem Keller, der sehr nach einem Verlies aussieht. Sie nennen es auch "die schwarze Küche des 16. Jahrhunderts". Sie spielen dort immer Renaissance-Musik.

Ritchie: Deswegen gehen wir auch immer dort hin. Da ist alles aus Stein und hat eine düstere Atmosphäre. Dort spielen sie immer mittelalterliche Musik und wir treten auch manchmal auf.

Candice: Ja, manchmal spielen wir den ganzen Abend. Sehr schön.

Ritchie: Meist denken die Leute, "Cartouche" hätte irgendetwas mit Ägypten zu tun. Ich entgegne dann immer: ja, ägyptisch, aber wir spielen den Song eher auf eine türkische Art und Weise, haha. Meist sind sie dann verwirrt, wenn sich heraus stellt, dass die Sache eher mit Prag zu tun hat. Wir sollten vielleicht sagen, dass es etwas mit Schriftzeichen auf ägyptischen Mumien zu tun hat, die von den Geheimnissen des Lebens erzählen, haha. Ja genau, wir erzählen, dass es was mit Tutenchamun zu tun hat.

"All For One" basiert auf einem bretonischen Lied, in Deutschland kennt man es hauptsächlich von der holländischen Gruppe Bots ("Was sollen wir trinken"). Wo habt ihr die Idee für eure Version her?

Unsere Version stammt von einer befreundeten Renaissance-Band namens Die Geyers. Sie spielen das immer, und uns gefiel das, so dass wir uns die Platte angehört haben und uns entschieden, die Melodie zu verwenden. Den Text haben wir verändert und die Arrangements ein wenig umgestaltet, aber jetzt auf einmal hören wir, dass jeder hier den Song kennt und dass er ein großer Hit in Holland war. Wir kennen die Version aber gar nicht.

Candice: Dass man oft nicht genau weiß, woher ein Lied stammt, erfahren wir jetzt wieder. Bei "Diamonds And Rust" (im Original von Joan Baez und bereits von Judas Priest gecovert, Anm. der Red.) meinen einige "oh, das ist der Judas Priest-Song, obwohl ich gar nicht wusste, dass die den auch gespielt haben.

Ritchie: "All For One" ist aber das einzige Traditional auf diesem Album, obwohl sich vier Lieder so anhören, als wären es welche. "Ivory Tower" ist eines davon.

Candice: Das ist von mir, haha.

Ritchie: Stimmt, und "3 Black Crows" ist auch von dir. Ich bin oft sehr hin- und hergerissen, wenn wir diese Art von Musik machen. Zwischen der authentischen Seite und dass ich versuche, Originalinstrumente zu spielen; Drehleier, Flöte und so. Auf der anderen Seite versuchen wir es manchmal etwas eingängiger zu gestalten, etwas polierter. "3 Black Crows" ist der einzige Song, den wir in seiner alten Form belassen haben, er ist nicht überproduziert. Wir haben ihn an einem Tag aufgenommen und einfach so belassen. Wenn ich ihn jetzt höre, muss ich grinsen, denn er hört sich wirklich wie ein traditionelles Lied an. Es ist schon etwas vertrackt. Wenn es nach mir ginge, würden wir alles an einem Abend aufnehmen, aber wenn du dann im Studio bist, möchtest du es so professionell wie möglich machen, und das langweilt mich irgendwann zu Tode. Ich spiele lieber und mache, dass ich aus dem Studio komme. Ich mag es nicht, wenn ein fünfminütiger Song am Ende fünf Wochen braucht, um fertig zu werden, aber manchmal dauert es eben so lange. Ich habe noch eine schlechte Angewohnheit im Studio. Wenn wir einen einfachen Song spielen, dann komme ich mit der Idee rüber "lass uns da noch ein Horn einbauen und hier noch ein Cello" oder am besten ein Horn, das Cello und die Trompete und den Chor mit den Mädels. Am Ende höre ich es mir an und schmeiß wieder alles raus, natürlich nachdem wir die Musiker bezahlt haben, haha.

Der nächste Song, der mir aufgrund des Titels ins Auge sticht, ist das kurze Instrumental "Nur eine Minute". Ist der Titel eine Entschuldigung dafür, dass du solo ein Zwischenstück spielst?

Ritchie: Exakt. Nach dem Motto. Keine Sorge, das dauert nur eine Minute. Man kann dazu nicht tanzen und man wird es auch nicht im Radio hören. Nur ich, der eine Minute rumdudelt. Jemand hat dann zu mir gemeint, der Song dauert aber länger als eine Minute. Ich wollte von einem Deutschen wissen, was "about one minute" auf deutsch heißt und ich bekam so viele verschiedene Übersetzungen. Ich habe unsere Plattenfirma angerufen und sogar das Lexikon rausgeholt. Es gab so viele Übersetzungen für so ein kleines Wörtchen. Ich habe dann mit den Leuten vom Label diskutiert und am Ende "Nur eine Minute" draus gemacht. Jedes Mal, wenn ich mit einem deutschen Titel ankomme, erzählen mir meine deutschen Freunde - meistens die Scorpions - "Ritchie, das ist nicht richtig", das nächste Mal, wenn du was Deutsches hast, musst du uns fragen.

Glaubt ihr, dass ihr deshalb so erfolgreich seid, weil viele Leute authentische Musik haben wollen, die nicht das Resultat von Casting-Shows ist? Denn so übermäßig viel Promotion macht ihr ja gar nicht.

Ritchie: Ja, das stimmt. Als wir mit Blackmore's Night angefangen haben, haben mich Promoter gefragt, ob ich jetzt mit einer neuen Rockband an den Start gehe. Ich habe das kategorisch verneint und ihnen gesagt, dass ich Renaissance-Musik machen möchte und mir speziell die deutsche Renaissance-Musik sehr gefällt. Die Entgegnung war, dass man mit Renaissance-Musik kein Geld machen kann. Sie haben es uns oft schwer gemacht, aber es war einfach die Musik, die wir spielen wollten.

Candice: Ich finde es schön, dass um uns nicht so ein Hype veranstaltet wird. Das bringt alles auf ein Level runter, auf dem du die Leute erreichst, die deine Musik wirklich mögen und etwas dabei fühlen. Wenn man so eine enge Beziehung mit dem Publikum hat, bleibt alles andere außen vor. Wenn da ein zu großer Rummel veranstaltet wird, dann fängt es an, zu einer Mode und zu einem Trend zu verkommen. Bevor du es mitbekommst, sind deine fünf Minuten Ruhm auch schon vorbei. Trends kommen und gehen so schnell. Wenn bei der Musik nicht so ein Riesengeld dahinter steht, hast du viel eher die Möglichkeit, etwas Zeitloses zu erschaffen und das ist das, was ich mir vorstelle.

Ritchie: Wenn du ein Hit-Album machst, wirst du in den Himmel gehoben, und im nächsten Jahr bist du weg vom Fenster. Wir bauen alles langsam auf. Wir spielen deshalb ganz absichtlich kleinere Venues, damit das Publikum leise und aufmerksam ist. Damit bringen wir unsere Promoter an den Rand des Wahnsinns, denn wir wollen in Schlössern und Burgen spielen. Das kostet eine Menge Geld. Sie wollen dann die Kartenpreise erhöhen, was wir dann wiederum nicht möchten. Das verursacht bei den Leuten, die sich mit unseren Geschäften befassen, Kopfschmerzen. Wir halten das absichtlich in einem etwas kleineren Rahmen - höchsten 1.500 Leute. Nur selten gehen wir darüber. In Russland haben wir zum Beispiel vor 8.000 Leuten gespielt, und die waren sehr ruhig, oder sie sind nach der Hälfte gegangen, haha.

Candice: Aber wenn du ein Publikum hast, das wirklich zuhört, dann klappt das, selbst wenn wir mal über drei Stunden spielen. Da kann man auch mal an den Songs herum experimentieren und lange Intro und ausgedehnte Soli spielen.

Habt ihr überhaupt so was wie eine Setlist?

Ritchie: Schon, aber wir haben auch eine Menge Songs und variieren. Unsere armen Musiker müssen die alle lernen und wenn wir dann mal wieder eine neue Variation in die Runde werfen, dann sehe ich manchmal unseren Bassisten, der sich fragend umschaut.

Candice: Ab und an fragen wir auch das Publikum, was wir spielen sollen, womit wir die Musiker noch zusätzlich terrorisieren, haha.

Ritchie: Wir ziehen sie auch damit auf. "Oh nein, das können wir jetzt nicht spielen, denn unser Bassist kennt das Lied gar nicht." Worauf der natürlich die Augen verdreht, haha. Jetzt lernt er, so viel er nur kann, haha. Wenn man so viele Songs hat, die man spielen kann, ist es schön, Anfragen aus dem Publikum zu bekommen. Wenn wir auf Tour sind, achten wir auch darauf, nicht zu viele Tage hintereinander zu spielen, damit wir uns erholen können. Dann können wir, wenn wir auf der Bühne stehen, mehr geben. Ich kann mich an alte Purple-Zeiten erinnern. Als wir mehrere Wochen fast jeden Tag gespielt hatten, interessierte es mich eigentlich nicht mehr, was wir überhaupt spielen. Wir standen 80 Minuten auf der Bühne und das war's; ohne Improvisation und Spontaneität. In diesem Kontext vermeiden wir es deshalb jetzt, zu viel zu spielen und nehmen uns lieber einige Tage frei, um zu relaxen, was natürlich wiederum den Promotern nicht gefällt, denn in der freien Zeit verdient man kein Geld. Aber auf Tour verdienen wir sowieso kein Geld, sondern achten eher darauf, dass wir null auf null rauskommen. Geld ist nicht der Grund, warum wir auf Tour gehen, wir wollen Spaß haben, gute Musik spielen und gesehen werden. Ansonsten würden wir jede Nacht in Clubs oder größeren Venues spielen.

Ihr habt gesagt, dass ihr es mögt, wenn das Publikum aufmerksam zuhört. Kann man die Qualität eines Publikums anhand der Länge eurer Konzerte abschätzen, so dass ihr länger spielt, wenn die Leute aufmerksamer sind?

Candice: Nein, wir beleidigen unser Publikum, haha. Es ist einfach die einfachste Art, uns auszudrücken, wenn wir eine besondere Beziehung zum Publikum aufgebaut haben. Sind die Anwesenden eher in Partylaune, gefällt uns das auch, aber wir spielen dann andere Lieder. Wir passen das an. Manchmal müssen wir die lauteren Lieder spielen, die dann etwas kürzer ausfallen. Wenn es lauter ist, reduziert sich die Setliste. Es gibt einfach Songs, die wir nicht spielen können, wenn Leute da sind, die ständig rumgröhlen. Wir lieben es, unsere ganze Palette abrufen zu können, aber manchmal funktioniert das eben nicht.

So ähnlich wie bei dem Konzert, das ihr in Solingen gegeben habt, wo ihr ursprünglich eine DVD aufnehmen wolltet? Ich habe gelesen, dass das recht schwer für euch war.

Ritchie: Solingen ist eines meiner Lieblingsschlösser. Als ich dorthin gekommen bin und die vielen Kameras gesehen habe, dachte ich mir gleich, dass das eine ganze Menge Strom verbrauchen wird. Solche Schlösser sind dafür aber nicht ausgelegt und ich prophezeite schon, dass uns irgendwann die ganze Anlage um die Ohren fliegt. So kam es auch, mitten in einem Song.

Candice: Aber selbst das war irgendwie aufregend. Wir hatten ja auf der Bühne rein gar nichts mehr, keinen Sound, kein Licht. Als der Generator wieder angesprungen ist, hatten wir zwar wieder Licht, aber keinen Saft auf den Mikros. Das Publikum hat das dann für uns übernommen und den Song ("Home Again") bis zu Ende weitergesungen. Jetzt haben wir natürlich interessantes Video-Material, das wir auch verwenden wollen. Das andere war, dass es dann angefangen hat, zu regnen, und nebenan war ein Bierzelt, was natürlich viel Lärm verursacht hat. Wenn du ruhige Songs spielst und einer mitten im Lied "Gib mir noch'n Bier" brüllt, dann stört das schon extrem.

Wollt ihr die Aufnahmen trotzdem als DVD veröffentlichen?

Candice: Ja, ungefähr im Oktober, definitiv noch in diesem Jahr. Wir werden auf dieser Tour noch weitere Sachen filmen und die dann auch noch drauf packen.

Einige eurer Texte handeln von Magie und spirituellen Sachen. Welche Rolle spielt das in eurem Leben?

Ritchie: Wir sind sehr spirituelle Menschen: Spiritualität bedeutet für uns, dass wir mit Dingen in Kontakt stehen, die man als Geister bezeichnen könnte. Als Candice und ich uns zum ersten Mal getroffen haben, war das erste, was wir gemeinsam hatten, dass wir beide uns mit paranormalen Dingen beschäftigen. Wir halten Seancen ab und kommunizieren mit diesen Wesen.

Candice: Wir glauben, dass es verschiedene Daseinsebenen gibt und dass man sich eine gewisse kindliche Unbekümmertheit bewahren muss, um einfach Dinge wie einen Sonnenuntergang, die Farbe einer Blume oder eine Sternschnuppe wertschätzen zu können. Man muss versuchen, diese Dinge sehen zu können. Sie sind jederzeit präsent, aber in der heutigen Gesellschaft herrscht ein solch immenser Druck, dass viele Leute einfach abschalten und die schönen Dinge nicht mehr wahrnehmen. Um diese positiven Gefühle wieder zurückzuholen kann man auch einfach mal seine Schuhe ausziehen und übers Gras rennen. Es gibt so viel unglaubliche Energie dort draußen. Sachen wie Mystik, Unschuld und Magie sind heutzutage nicht unbedingt cool.

Ritchie: Cool sind sie schon.

Candice: Schon, aber dann muss es auch blitzen und "Bäng" machen und für jedermann sichtbar sein. Nimm zum Beispiel Christina Aguilera und ihr Auftreten. Da steckt keinerlei Schönheit und Sinnlichkeit dahinter, es springt dir immer gleich ins Gesicht.

Ritchie: Das stimmt. Ich mache das mit den Seancen jetzt seit 25, 30 Jahren, und mit Geistern zu kommunizieren, ist ein sehr reelles und beeindruckendes Phänomen. Die Leute können es nicht glauben, aber wenn sie an unseren Seancen teilhaben, sagen sie "wow, was für ein großartiges Gefühl" und haben manchmal Angst. Aber da gibt es nichts, wovor man Angst haben müsste, Geister tragen keine Waffen. Für uns ist das mindestens so wichtig wie unsere Musik.

Candice: Es öffnet dein Bewusstsein für andere Sichtweisen und man ist nicht mehr nur auf seine fünf Sinne oder die Sprache beschränkt. Es gibt so viele Dinge, die parallel zu uns ablaufen, die man nicht mit Worten oder mit wissenschaftlichen Experimenten erklären muss.

Wenn wir schon bei Geistern sind, wer oder was ist der "Ghost Of A Rose"? (Albumtitel der neuen Platte, Anm. der Red.)

Ritchie: Für mich gibt es einige mögliche Antworten auf diese Frage. Im 15. Jahrhundert gab es in England das Haus der Tudors mit Heinrich dem Achten, und das Symbol der Tudors war die Rose. Man könnte deshalb sagen, dass unsere Musik vom 15. Jahrhundert beeinflusst ist. Für mich ist "Ghost Of A Rose" ein Symbol für die Erinnerung an die Musik jener Tage. Aber Candice hat vielleicht eine andere Erklärung.

Candice: Da gibt es viele Möglichkeiten, das auszudrücken.

Ritchie: Ja, so was wie Shoppen gehen im Einkaufszentrum, haha.

Candice: Ja, genau, das war meine Version davon, haha. Aber nur zum Schlussverkauf. Nein, "Ghost" steht für unsere Faszination für das Paranormale, das Übersinnliche, über das wir gerade geredet haben. Die Rose selbst steht für die Natur, die uns auch sehr inspiriert, und schließlich entsteht eine Verbindung von beidem, wie eine Art Verflechtung. Die Geschichte des Songs dreht sich jedoch um ein Paar, das vor einigen Jahren in Amerika zu einem unserer Konzerte kam. Der Mann war so verliebt in seine Frau. Diese hatte aber eine unheilbare Krankheit. Als sie dann gestorben war, schrieb er uns immer noch, dass dieser Abend bei unserem Konzert etwas ganz Spezielles gewesen für beide gewesen sei und sie sogar auf dem Totenbett noch davon erzählt habe. Der Song erzählt einfach, was diese Frau für ihren Mann bedeutet hat, der sie immer noch sieht und hört.

Alte Musik in ein neues Gewand packen, so wie ihr es tut, ist nicht neu. Fühlt ihr eine Verwandtschaft mit Bands wie Dead Can Dance?


Ritchie: Ich hab sie mal gehört, aber das ist jetzt nicht unbedingt die Musik, die mich inspiriert. Eher solche Gruppen wie Die Geyers deren CD "All Voll" für mich Die Quintessenz der Renaissance-Musik darstellt. Da sind ein paar unglaubliche Sachen drauf. Uns haben schon Leute über Dead Can Dance erzählt und ich habe es mir angehört, aber das ist nicht so mein Ding. Ich höre mir die Renaissance-Musik zwar von einer puristischen Warte aus an, aber wenn wir sie dann spielen, überführen wir sie in unsere Interpretation davon. Wir wollen nicht unbedingt historisch korrekt sein. Ich würde nicht sagen, wir modernisieren die Songs, wir verwenden nur die Melodien aus dem 15. Jahrhundert und wollen sie den Leuten näher bringen. Das größte Kompliment, das wir bislang bekommen haben war, als Frank Sinatra zu mir kam und fragte "wer bist du denn?".

Aha!?

Ritchie: Ich wollte nur sehen, ob du noch zuhörst, haha. Sinatra kam und sagte: "ich hasse Renaissance-Musik, aber ich liebe eure." Oh ja? warum? "Weil sie so sanft ist. Es gibt einige Renaissance-Bands, aber die mag ich nicht" Es war interessant zu sehen, dass er die historisch korrekte Umsetzung nicht so mochte, aber dafür um so mehr unsere Interpretationen. Sie eignet sich, um die Tür für Leute aufzustoßen, damit diese sich für die musikalische Vergangenheit interessieren. Ich bekomme meine Inspiration von deutschen Bands. Ihr habt hier so viele wunderbare Gruppen wie Saltarello, Die Freiburger Spielleyt, die um einiges historisch korrekter vorgehen als wir, aber es sind trotzdem meine Lieblingsbands. Ich stoße auf solche Gruppen durch alte Magazine oder Platten. Viele Fans schicken uns auch Musik. Wenn wir in Amerika Partys feiern, spiele ich diese Sachen immer und dann werde ich gefragt, wo man die Platten herbekommt. Diese Leute sind auch angepisst, dass sie den ganzen Tag Christina Aguilera und den ganzen Nonsens auf MTV hören müssen, sie wollen organische Musik hören, aber sie bekommen Britney Spears.

Vielleicht sollte man Britney in mittelalterliche Klamotten stecken?

Ritchie: Haha. Haben sie das nicht schon gemacht? Mittelalterliche Kleidung ist dieses Jahr in Amerika angesagt.

Candice: Trägt Eminem Strumpfhosen?

Ritchie: Ich bin mir sicher, spätestens dann, wenn ich anfange zu rappen, haha. Aber es ist schon schade, dass sie die Musik im Radio nie spielen, weil sie nicht vom Saufen oder Prügeln handeln.

Ihr habt aber auch Trinklieder im Repertoire.

Ritchie: Richtig, aber wir erwarten nicht, dass sie gespielt werden.

Das ist fast ein Qualitätsmerkmal, wenn Songs nicht im Radio gespielt werden, zumindest hier in Deutschland.

Candice: Ach, in Amerika auch. Wir haben zwar massig Radiostationen, aber die gehören alle einer Person. Du kannst zehn unterschiedliche Sender reinmachen, sie spielen aber alle dasselbe.

Ihr habt ja auch eine eigene Webseite. Kommuniziert ihr mit euren Fans über das Internet?

Ritchie: Wir haben Leute, die das für uns machen, ich selbst weiß nicht mal, wie man einen Computer einschaltet. Candice macht Einiges am PC. Das langweilt mich, außer, wenn wir zusammen nach einer Mittelalter-Band suchen, dann kann man über das Internet Einiges erfahren. Ja, und wenn ich mir historische Instrumente kaufe, dann mache ich das auch übers Netz. Aber ansonsten bin ich zu alt für so was.

Candice: Ich habe auf meiner eigenen Seite eine Sektion, die speziell Fans gewidmet ist. Wir bekommen viele Sachen von Fans geschickt. Malereien, Gedichte und solche Sachen, und ich beantworte Fragen. All das veröffentliche ich auf meiner Page.

Ich habe gelesen, dass du einige Sachen mit anderen Künstlern aufgenommen hast. Was ist da in Zukunft zu erwarten?

Candice: Ich habe mit dem Produzenten von Rhapsody was zusammen gemacht. Ich mag es, die Visionen anderer Künstler zu erleben und Sachen zu machen, die ich normalerweise nicht tun würde. Aber Blackmore's Night wird immer Priorität haben, selbst wenn ich mal ein Solo-Album machen sollte.

Vor einem Jahr gab es in Ostdeutschland die Flutkatastrophe. Ihr habt die Einnahmen der Single "Home Again" an die Flutopfer gespendet. Habt ihr ein Feedback bekommen?

Ritchie: Nein, nicht wirklich. Wir haben das gemacht, weil wir es für eine gute Sache hielten. Die Leute dort haben uns einfach leid getan und wir wollten uns engagieren - normalerweise engagieren wir uns sehr für Tiere, aber als wir die Bilder der Katastrophe gesehen haben, hat uns das sehr getroffen.

Candice, Ritchie, vielen Dank für dieses Gespräch.

Das Interview führte Alexander Cordas





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