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Candice Night
& Ritchie Blackmore Interview
Juli 2003
1 - Ich denke “Ghost Of A Rose” ist hauptsächlich im Stil der “Fires
At Midnight”, da es eine Mischung von Elektro-Stücken mit schönen
Soloeinlagen und mehr akustischen Stücken im melancholischen oder fröhlicheren
Stil präsentiert. Dabei sind deine üblichen Einflüsse aus
verschiedenen europäischen Folkmusikarten und der Musik der Renaissance
bemerkbar. Würdest du dem zustimmen?
Ritchie Blackmore (RB): Ja, ich stimme
dem absolut zu.
Candice Night (CN) : Ich denke, der
einzige geringfügige Unterschied ist die Einbeziehung
von mehr authentischen Holzblasinstrumenten. Da unsere Sammlung von Renaissance-
Instrumenten größer wird, sind wir in der Lage, den Stücken
eine Dimension von organischen
Klängen hinzuzufügen.
2 - Mehrere Stücke klingen vielleicht orchestraler, symphonischer
als jemals zuvor, ich denke an das Titelstück und den “Ivory Tower”.
Was war die musikalische Inspiration für diese Stücke?
RB: “Ghost of a Rose” wurde inspiriert
von Elgar und Jacqueline Dupré, einer erstaunlichen Cellistin. Allerdings
ist laut einer der Interpretationen der Stücke das eigentliche Stück
über sie, und ihr wunderbares Spiel kann immer noch im Klang des Windes
vom Hügel gehört werden.
3 - Neben “Rainbow Blues” und zwei Verweisen - Chopin und Pierre Phalese
- auf die du
im Begleitheft aufmerksam machst, wurde die Musik ausschließlich
von dir, Ritchie, ge-schrieben, oder trug Candice auch dazu bei? Gibt es
noch andere Einflüsse von weiteren Komponisten? ( Ich habe einige Stücke
von Pierre Phalese, einem flämischen Komponisten, wie du im Dezember
gesagt hast, gefunden. Ich habe herausgefunden, daß er auch als Musikverleger
aktiv war.)
RB: Normalerweise schreibe ich die Musik und Candice die
Texte. Dennoch schrieb Candice für “Three Black Crows” und “Ivory Tower”
sowohl den Text, als auch die Musik. Susato ist
immer ein wichtiger Einfluß, wie auch Carabel, Praetorius und ein
Kerl namens “Anonym”, der immer wieder auftaucht!
Übrigens war Tilmann Susato auch als Musikverleger aktiv.
4 - Ich habe das Chopin-Stück, durch das “Nur eine Minute” inspiriert
wurde, nicht wiedererkannt. Um welches Stück handelt es sich? Warum
hast du dem Stück einen deutschen Titel gegeben?
RB: Nur der Titel wurde beeinflußt von Chopin (da
der Minutenwalzer in genau einer Minute gespielt wurde). Ich habe dem Stück
einen deutschen Titel gegeben, da nach meiner Meinung nicht alles in englisch
sein sollte.
5 - Was ist mit dem Text von “Cartouche”? Ich habe die allgemeine Bedeutung
nicht verstanden ... aus den Notizen. Ich habe die Verbindung dieser “black
kitchen” (schwarzen
Küche) im 16. Jahrhundert in Prag und den speziellen Pharaonenkartuschen
mit Hieroglyphen nicht verstanden.
RB: Manchmal hat das Leben keine eindeutige Botschaft.
Nicht alles ist, was es sein sollte, und man sollte immer versuchen, zwischen
den Zeilen zu lesen.
CN: “Cartouche” versucht, ein Teil von
Salvatore Dalis Bildern in Worten zu sein. Wir hatten unglaublichen Spaß
an einem Ort namens Cartouche in Prag, wovon dieses Stück
inspiriert wurde. Er ist unterirdisch, und die Betreiber nennen sich selbst
die Schwarze Küche aus dem 16. Jahrhundert. Sie erlauben uns immer,
dort bis in die frühen Morgenstunden. zu spielen und zu singen. Also
handelt es sich um eine Sammlung all der magischen Momente, die wir im Cartouche
verbracht haben.
6 - Wie lange hat es gedauert, die Stücke zu komponieren?
RB: Es hat sechs Monate gedauert. Die meisten Stücke
sind schon geschrieben, bevor wir ins Studio gehen.
7 - Könntest du bitte versuchen, ein bißchen zu erklären
wie ihr, du und Candice, ein Stück
normalerweise komponiert?
RB: Ich werde inspiriert durch Musikstücke, die ich
bei alltäglichen Ereignissen höre. Es kann sich dabei um ein Zweitaktteilstück
handeln oder eine Umgebung wie in vielen der Burgen, in
denen wir spielen. Wenn man Abgeschiedenheit findet, kann man offen genug
sein, um Musik zu komponieren. Unglücklicherweise wird man heutzutage
ständig mit Lärm bombardiert, und Stille ist immer schwieriger
zu finden.
CN: Ritchie hat zuerst die allgemeinen Melodienbogen. Ich finde
immer, daß seine Melodien so visuell, so voller Gefühl sind,
daß man nur noch die Augen schließen muß und zuhören
muß, was das Stück sagt und um was es gehen soll, um die Bilder
zu sehen, die es in deinem Kopf malt, wenn du dem Stück zuhörst.
Dann kommen die Worte von ganz allein. Normalerweise ist es eine Mischung
aus Natur und Legenden, Mythen und Rätseln mit ein wenig Romantik und
Anklängen an frühere Zeiten.
Aber jedes Stück hat einen eigenen Charakter, eine sehr starke Identität,
die dich auf einen Pfad führt wie keines der anderen Stücke.
8 - Statt Ian Anderson für dich ein neues Stück schreiben
zu lassen, hast du ein eher seltenes Stück neu aufgenommen, das nur
auf einer Compilation erschienen ist und das kürzlich auf der technisch
verbesserten Version von “Warchild” erschienen ist. Die Melodie war uneinheitlich
- was den Rhythmus betrifft - und deine Version ist “eingängiger” und
einfacher zum Zuhören (ich denke auch, deine Version ist besser), aber
wie bist du mit den Änderungen, die du bei
den Arrangement vornehmen wolltest, umgegangen?
RB: Ich habe einfach die Akkorde genommen und habe angefangen.
Ich habe die Akkorde, die Noten und die Melodie aufgeschrieben, und der
Rest ging wie von selbst.
9 - Ist es wahr, daß “Warchild” dein Lieblingsalbum von Jethro
Tull ist und wenn ja, warum?
RB: Ja. Die Stücke sind so unglaublich gut zusammengestellt.
Mein Lieblingsstück ist “Sea Lion”.
10 - Wer sind die Sänger mit den tiefen Stimmen auf “All For One”?
Warum setzt du sie nicht für die anderen Stücke mit Chor ein wie
“Ivory Tower” (hier verwendest du eine synthetische Bassstimmtextur ein,
richtig?)?
RB: Eigentlich haben wir es doch getan. Ein kurzes Stück
ist gesampelt mit gregorianischen Männerstimmen, aber es ist angeordnet
mit wirklichen Männerstimmen. Das gilt sowohl für
“Ivory Tower” als auch für “All for one”.
CN: Die Männerstimmenparts wurden von Tim Cotov und
dem Barden David von Larchmont übernommen, der nicht nur eine erstaunliche
Opernstimme hat, sondern auch unser neuer Minstrel auf der Tour ist. Er
spielt Keyboard.
11 - Im allgemeinen scheint es meiner Ansicht nach auf dem neuen Album
weniger instrumentale Parts oder Melodien als auf den vorhergehenden zu
geben ... War das Absicht oder reiner Zufall?
RB: Eigentlich gibt es auf jedem der Alben zwei Instrumentalstücke,
angefangen bei
“Shadow...” mit “Ministrel Hall” und “Mondtanz”. Wenn man dann noch Teil
2 von
“Queen For A Day” auf dem “Ghost of the Rose”-‘Album einbezieht, glaube
ich, daß es
mehr Instrumentalstücke auf dieser neuen CD als auf den Vorhergehenden
gibt. Es kommt
immer darauf an, was herauskommt, während man etwas aufnimmt.
12 – Andrerseits spielst du immer noch viele exzellente elektrische
Solos auf dem aktuellen
Album (das Ende von “Way To Mandalay”, “Rainbow Blues”, “All For One” sind
überragend, und die diskreten Solos auf “Diamonds and Rust” sind schön)
... Wie näherst du dich den Solos normalerweise an? Arbeitest du eine
Melodie oder ein Riff längere Zeit heraus oder improvisierst du und
behältst die besten Parts nachher?
RB: Was die Solos betrifft, improvisiere ich einfach ein
paarmal für jedes Stück. Wenn ich dann nicht im Raum bin, stellt
der Produzent alles zusammen und sagt mir, er hat alle anderen
Aufnahmen verloren.
13 – Gibt es nur eine Ausgabe des neuen Albums oder wird SVP darüber
hinaus eine spezielle Ausgabe herausbringen wie schon bei “Fires of Midnight”
und dem Livealbum? Wenn ja, worin bestehen die Unterschiede?
RB: SPV wird in fünf Jahren einen Bonus Track herausbringen,
ich bin sicher, daß Roger Glover alle Solos verändert!
CN: SPV hat im Moment zwei Versionen für Europa:
die reguläre Version und die
Digipackversion mit zwei Bonustracks und zusätzlichen Fotos. Auf der
USA-Version
gibt es das Video zu “Way To Mandalay”, wenn die CD herauskommt.
14 – Habt ihr vor auch noch andere Gigs zu spielen außer der Burgentour
in diesem Sommer?
RB: Ja, die Tourdaten für die nächste Touretappe
liegen gerade vor. Moskau, Feuerland,
Mandalay und Italien.
CN: Bis jetzt waren wir mit der “Ghost Of A Rose” – Tour
in Ländern, in denen Black-
more’s Night noch nie gewesen ist: Estland, Norwegen, Lettland und Polen
und Finnland.
Wir sind jetzt gerade mitten in unserer Deutschlandtour, während der
wir hauptsächlich in
Burgen und in Höfen spielen. Die nächsten Länder auf der
Tourliste sind Amerika, Russland,
Österreich, England, Schottland, die Tschechische Republick, und noch
mehr Termine
kommen gerade herein. Wir hoffen, auch noch in Frankreich in diesem Jahr
zu spielen,
aber aus unerklärlichen Gründen haben die Veranstalter nicht
reagiert.
15 – Ich habe gehört, daß möglicherweise eine Live-DVD
herausgebracht wird? Wie weit seid ihr bei diesem Projekt?
CN: Ja, wir haben für diese DVD Filmmaterial aufgenommen.
Zwei Konzerte wurden gefilmt, eins auf Schloss Burg in Solingen und eins
in Eisenach auf der Wartburg: Schloss Burg war ein Konzert im Freien auf
dem Hof mit vielen interessanten ungeplanten Begebenheiten ... Stromausfall,
Regen etc. Das Konzert auf der Wartburg hat eine akustische, intime Atmosphäre.
Außerdem gibt es Interviewpassagen und anderes Filmmaterial ... Wir
hoffen, daß die DVD später in diesem Jahr herauskommt.
16 – Ich habe kürzlich auf deiner Discographieseite im Internet
gesehen, daß du 1992 auf einem Stück eines Albums unseres französischen
Sängers Laurent Voulzy mitgespielt hast.
Wie ist das denn passiert?!!
RB:Mein damaliges Management hat mich angesprochen und mir
das Tape geschickt. Ich ging in ein Studio in Conneticut, wo ich gelebt habe,
und habe meinen Teil aufgenommen.
17 – Und könnt ihr mir mehr erzählen über Candices Soloalbum,
das demnächst herauskommt? Wer hat die Stücke geschrieben, wer
spielt auf dem Album? Ich hatte nicht
die Möglichkeit, die Single vorab zu hören. Wann wird es erscheinen?
(Es gibt nichts mehr
über das Album auf der Internetseite ... ).
CN: Ich habe eine Sammlung von Stücken, die seit
1995 aufgebaut wurde. Es gab Bänder, die den Staub auf den Regalen wiedergaben,
nur Stimme und Klavier. Dann wurde ich neugierig, wie die Stücke klingen
würden, wenn ein Produzent ihnen Leben einhaucht. Einige meiner Stücke
landen auf den Blackmore’s Night-CDs wie “Now and Then”, “Ivory Tower” und
“Three Black Crows”. Aber einige Stücke werden nicht für das Blackmore’s-
Night- Projekt
verwendet, weil sie nicht genug nach Renaissance klingen. Aber sobald Blackmore’s
Night
auf Tour geht, Stücke schreibt oder aufnimmt, wird alles aufgehalten.
Wenn alles wieder ruhiger wird, arbeite ich meine Bänder noch einmal
durch.
18 – Da wir gerade bei Soloalben sind, Ritchie, würdest du selbst
eins aufnehmen, ein Instrumentalalbum beispielsweise?
RB: Ich würde gern ein “Best of” mit allen Instrumentalstücken
aus verschiedenen Jahren herausbringen. Ich glaube nicht, daß Seitenprojekte
gut sind. Man hat das Hauptprojekt dann nicht mehr so gut im Auge. Ich spiele
gern, aber ich nehme nicht gern auf. Ich würde lieber
im Wald spazieren gehen.
19 – Wirst du jemals versuchen, auch zu
singen? Du hast, glaube ich, auf keinem Album gesungen. Warum nicht?
RB: Ich habe doch gerade erst sprechen gelernt! Als ich
zur Gitarre gegriffen habe, war das ein Mittel, um nicht mit Menschen reden
zu müssen. Jetzt wollen aber in Interviews andauernd alle mit
mir reden!
20 – Pat Reagan hat großartige Arbeit geleistet, als er allein
das “Minstrel Hall Consort” gründete, aber würdest du nicht gern
auch mal mit einem richtigen Orchester spielen, wie es die Band Renaissance
beispielsweise getan hat? Oder mit einem kleineren Barock- oder Renaissance
- Orchester?
RB: Ja unbedingt. Das ist in Vorbereitung. Ich werde einige
Stücke mit einer richtigen Renaissanceband aufnehmen, die in unsere
Band integriert wird. Wenn Yngwie Malm-
steen nicht schneller ist!
21 - Was ist mit einem Konzert in Frankreich? Ich hatte vor einigen
Monaten gehört, ihr würdet möglicherweise hier spielen, aber
ich glaube, es gibt nicht neues.
RB: Wir würden gern in Frankreich spielen, aber wir konnten
keine Plattenfirma mit genügend Interesse finden. Anscheinend tut sich
für uns in Frankreich nichts, also können wir auch nicht nach
Frankreich kommen. Ich verstehe dieses Konzept nicht, aber so wurde es uns
gesagt.
22 – Ziehst du in Betracht, die Plattenfirma zu wechseln hin zu einer
Plattenfirma, die vielleicht geeigneter ist für den Musikstil von Blackmore’s
Night?
RB: Wir suchen eine. Schließlich war Frankreich
sehr wichtig für die Renaissancemusik aus dem 16. Jahrhundert, und es
wäre passend, unsere Musik dort zu präsentieren. “All For One”
ist ein französisches Lied aus dem 16. Jahrhundert.
Vielen Dank, daß ihr Zeit erübrigt habt. Es ist ein
exzellentes Album, und ich würde es sehr gern live hören.
Marc Moingeon
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